Beschlussfassung
Wie werden Beschlüsse gefasst? Welche Mehrheiten werden benötigt?
Sie gilt bei Abstimmungen zu den Themen Bestellung einer Verwaltung, Entlastung des Verwalters, Jahresabrechnung, Wirtschaftsplan, Instandhaltung des Gemeinschaftseigentums, Sonderumlagen, Instandhaltungsrücklage, Rechtsfragen, Geschäftsordnung und Maßnahmen zum Werterhalt und der Verwaltung des Gemeinschaftseigentums (beispielsweise die Anstellung eines Gartenbaubetriebs zur Pflege der Grünanlagen). Mit der Reform des Wohneigentumsgesetz zum 1. Dezember 2020 genügt die einfache Mehrheit zudem nun auch bei baulichen Veränderungen, die bislang Einstimmigkeit erforderten. Das gilt insbesondere bei Maßnahmen, die nachhaltig zu Kosteneinsparungen beitragen oder dazu dienen, das Gebäude in einen zeitgemäßen Zustand zu versetzen.
Eine qualifizierte Mehrheit liegt vor, wenn mindestens 51 Prozent der Eigentümer zustimmen. Sie ist beispielsweise erforderlich, wenn einem Eigentümer das Wohneigentum entzogen werden soll, weil er mit der Zahlung des Hausgeldes erheblich im Rückstand ist.
Eine doppelt qualifizierte Mehrheit liegt vor, wenn mindestens zwei Drittel aller Eigentümer und mindestens die Hälfte der Eigentümer aller Miteigentumsanteile zustimmen. Sie ist beispielsweise erforderlich, wenn ein Eigentümer eine bauliche Veränderung an seinem Sondereigentum vornimmt, die das Erscheinungsbild des Gebäudes beeinflusst. Wurde hierfür mit qualifizierter Mehrheit gestimmt, müssen sich alle Eigentümer an den Kosten beteiligen – lag die Zustimmung darunter, zahlen nur die Eigentümer, die sich für die Maßnahme ausgesprochen haben.
Einstimmigkeit ist erforderlich, wenn ein schriftlicher Beschluss im Umlaufverfahren gefasst werden soll und nicht vorher in einer Versammlung beschlossen wurde, dass im Umlaufverfahren mit einfacher Mehrheit abgestimmt werden darf.
Prinzipiell ist eine Vereinbarung nichts anderes als ein allstimmiger Beschluss. Alle grundbuchlich eingetragenen Eigentümer stimmen dem Beschlussantrag zu. Daneben ist eine Vereinbarung aber auch ein schuldrechtlicher Vertrag zwischen den Eigentümern. Dieser bindet nur die aktuellen Eigentümer, nicht die Rechtsnachfolger, also Neuerwerber von Wohneigentum. Eine Bindungswirkung für Rechtsnachfolger entsteht nur dann, wenn die Vereinbarung in das Grundbuch eingetragen wird (§ 10 Abs. 3 Wohneigentumsgesetz).
Eine besondere Stellung im Wohnungseigentumsrecht nimmt der Umlaufbeschluss ein. Nach § 23 Abs. 3 Wohneigentumsgesetz ist diese Form der schriftlichen Abstimmung möglich, ohne dass eine Eigentümerversammlung einberufen wird. Im Umlaufverfahren müssen alle Eigentümer ihre Zustimmung erteilen – wohlgemerkt alle Eigentümer; es handelt sich hierbei folglich um eine besondere Form des allstimmigen Beschlusses. Eine Angelegenheit, die normalerweise durch einen Beschluss mit einfacher Mehrheit geregelt werden kann, bedarf deshalb im Umlaufverfahren der Allstimmigkeit. Abgestimmt werden darf auch über elektronische Medien (E-Mail, Umfragen etc.)
Was gehört dazu?
- Der Umlaufbeschluss hat schriftlich zu erfolgen.
- Alle Wohnungseigentümer müssen in schriftlicher Form durch eigenhändige Unterzeichnung dem Beschluss zustimmen.
- Rechtswirksam ist ein schriftlicher Beschluss nur dann, wenn alle Zustimmungserklärungen zugegangen sind.
- ALLE Eigentümer müssen dem Beschluss zustimmen, dies gilt auch dann, wenn es sich "nur" um Angelegenheiten der ordnungsgemäßen Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums handelt, für die normalerweise ein Mehrheitsbeschluss ausreicht (BayObLG, 28.10.1980, 2 Z 63/80).
- Das Ergebnis des Umlaufbeschlusses muss den Wohnungseigentümern mitgeteilt werden.
Sind Sie als Eigentümer oder Eigentümerin der Auffassung, dass ein Beschluss in der Eigentümerversammlung so nicht getroffen werden durfte, können Sie den Beschluss vor Gericht anfechten.
- Es kann jeder Beschluss angefochten werden.
- Der Beschluss muss innerhalb von einem Monat nach der Verkündung angefochten werden (§ 45 Wohneigentumsgesetz).
- Jeder Wohneigentümer und die Hausverwaltung darf anfechten.
- In der ersten Instanz muss kein Rechtsanwalt beauftragt werden.
- Der Beschluss muss schriftlich bei Gericht angefochten werden.
- Der Beschluss bleibt bis zur Entscheidung des Gerichts schwebend wirksam.
Die Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer umfasst auch die Befugnis, über eine Angelegenheit, über die bereits per Beschluss entschieden wurde, erneut eine Entscheidung herbeizuführen. Mit einem solchen Zweitbeschluss kann der Erstbeschluss daher aufgehoben, ergänzt, abgeändert oder beseitigt werden (BGH, Beschluss v. 20.12.1990, V ZB 8/90). Dies ist auch sinnvoll, eine Eigentümergemeinschaft ist kein statisches Gebilde. Was vor drei Jahren noch Sinn und Zweck hatte, kann im Laufe der Zeit unpraktikabel geworden sein.
Im Einzelfall ist es oft schwer erkennbar, ob ein Beschluss nichtig oder "nur" rechtswidrig ist. Nach § 23 Abs. 1 Wohneigentumsgesetz werden Angelegenheiten der Wohnungseigentümer durch Beschlussfassung in der Versammlung der Wohnungseigentümer geregelt. Ist ein Beschluss der Wohnungseigentümerversammlung unter Verstoß gegen gesetzliche Bestimmungen zustande gekommen, so ist er grundsätzlich anfechtbar, nicht ungültig.
Dies ergibt sich aus § 23 Abs. 4 Satz 1. Anfechtbar bedeutet, dass der Beschluss zunächst als gültig betrachtet wird, aber innerhalb einer Frist von einem Monat nach Beschlussfassung durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochten werden kann. Stellt das Gericht die Rechtswidrigkeit des Beschlusses rechtskräftig fest, so wirkt dies auf den Tag der Beschlussfassung zurück. Bis zur Rechtskraft der Entscheidung bleibt der Beschluss also gültig (schwebend). Das Gericht kann jedoch schon vorher eine einstweilige Anordnung treffen (§ 44 Abs. 4 Wohneigentumsgesetz).
Hier ein paar Beispiele für "anfechtbare Beschlüsse":
- Einberufungsmängel (Nichteinladung eines Eigentümers, Nichteinhaltung der Einladungsfrist),
- unzureichende Angaben zu Tagesordnungspunkten in der Einladung,
- Verstöße gegen die Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung,
- Verstöße durch unzulässige Gebrauchsregelungen,
- Wohnungseigentümer sollen zu Leistungen außerhalb der Kosten und Lasten herangezogen werden, z.B. der Winterdienst in der eigentümergemeinschaft.
- falsche Stimmauszählung,
- fehlerhafte Jahresabrechnungen
Nach § 23 Abs. 4 Satz 2 Wohneigentumsgesetz ist ein Beschluss nichtig, der gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung nicht verzichtet werden kann, die sogenannten unabdingbaren (zwingenden) WEG-Vorschriften. Weiter fallen hierunter alle Beschlüsse, die gegen den Grundsatz von Treu und Glauben und die guten Sitten verstoßen (sittenwidrig).
Solche Beschlüsse sind von Anfang an nichtig. Der Antrag an das Gericht festzustellen, dass der betreffende Beschluss nichtig ist, ist jederzeit zulässig. Für die Feststellung der Nichtigkeit gilt nicht die einmonatige Anfechtungsfrist nach § 45 Wohneigentumsgesetz die Berufung auf die Nichtigkeit solcher Beschlüsse ist zu jeder Zeit möglich.
Grundsätzlich nichtig sind Beschlüsse,
- die gegen zwingende gesetzliche Regelungen verstoßen,
- die getroffene Vereinbarungen abändern oder die einer Vereinbarung gleichstehende Regelungen in der Gemeinschaftsordnung oder Teilungserklärung abändern (mit Ausnahmen wie Modernisierung).
Diese Regelungen können nicht durch Mehrheitsbeschluss verändert oder ausgeschlossen werden
- Änderungen zum Gegenstand und Inhalt des Sondereigentums (§ 5 Abs. 2 Wohneigentumsgesetz)
- Das Sondereigentum kann nicht alleine verkauft werden, hierzu gehört immer der entsprechende Anteil Miteigentum (§ 6 Wohneigentumsgesetz)
- Kein Wohnungseigentümer kann die Auflösung der Gemeinschaft verlangen (§ 11 Wohneigentumsgesetz)
- Jeder Wohnungseigentümer hat das Recht sein Wohnungseigentums zu veräußern. Eine Verweigerung der Zustimmung darf nur aus wichtigem Grund erfolgen (§ 12 Wohneigentumsgesetz)
- Bestehen vereinbarte Veräußerungsbeschränkungen, können diese durch Beschluss aufgehoben werden. Diese Befugnis kann durch Vereinbarung der Wohnungseigentümer nicht eingeschränkt oder ausgeschlossen werden (§ 12 Wohneigentumsgesetz)
- Eine Änderung der Kostenverteilung durch Mehrheitsbeschluss ist durch Stimmenmehrheit möglich, sie kann nicht durch eine Vereinbarung ausgeschlossen werden (§ 16 Wohneigentumsgesetz).
- Die Eigentümergemeinschaft kann von einem Mitglied die Veräußerung seines Wohnungseigentums verlangen, wenn er sich schwerer Pflichtverletzungen gegenüber der Gemeinschaft schuldig gemacht hat (§ 18 Wohneigentumsgesetz).
- Die Bestellung einer Hausverwaltung kann nicht ausgeschlossen werden (§ 26 Wohneigentumsgesetz)
- Die Eigentümergemeinschaft kann Modernisierungen mehrheitlich beschließen. Bestehende Vereinbarungen haben keinen Vorrang (§ 21 Wohneigentumsgesetz).
- Die Gültigkeit eines Beschlusses außerhalb der Eigentümerversammlung benötigt die Zustimmung aller Eigentümer (§ 25 Wohneigentumsgesetz)
- Eine Minderheit von Wohnungseigentümern kann bei mehr als einem Viertel (nach Köpfen) der Eigentümer die Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung verlangen (§ 24 Wohneigentumsgesetz).
- Die Bestellung einer Hausverwaltung darf für höchstens fünf Jahre erfolgen. Bei Erstbestellung nach Gründung einer Wohnungseigentümergemeinschaft höchstens drei Jahre § 26 Wohneigentumsgesetz).
- Die festgelegten Aufgaben und Befugnisse der Hausverwaltung können nicht eingeschränkt werden (§ 27 Wohneigentumsgesetz).
- Die Wohnungseigentümergemeinschaft hat keine Befugnis, dem einzelnen Wohnungseigentümer außerhalb der Kosten und Lasten "Leistungspflichten" aufzuerlegen.
Aufgrund der Wesentlichkeit des Stimmrechts für den Eigentümer darf es nur unter engen, in § 25 Abs. 4 Wohnungseigentumsgesetz normierten Voraussetzungen eingeschränkt werden. Demnach darf das Stimmrecht der Wohneigentümergemeinschaft nur beschränkt werden, wenn eine schwerwiegende Interessenkollision in der Person des Eigentümers vorliegt. §25 Abs. 4 Wohnungseigentumsgesetz konkretisiert diese Vorgabe und normiert drei Fälle, in welchen der Eigentümer von der Beschlussfassung ausgenommen ist:
- Es liegt ein (potenzielles) Geschäft des Eigentümers mit der Eigentümergemeinschaft vor.
- Es besteht ein Rechtsstreit zwischen der Eigentümergemeinschaft und dem Eigentümer.
- Der Wohnungseigentümer wurde gemäß § 17 Wohnungseigentumsgesetz rechtmäßig zur Entziehung des Wohnungseigentums verurteilt.
In diesen Fällen besteht eine über die normalen Maße hinausgehende Gefahr, dass der Eigentümer sein Stimmrecht zu Lasten der Eigentümergemeinschaft ausüben könnte. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn ein Eigentümer, welcher zugleich Mitglied des Verwaltungsbeirats ist, über die Entlastung des Verwaltungsbeirats (zu seinen Gunsten) abstimmen würde. Der Eigentümer hat in diesem Fall ein besonderes (Eigen-)Interesse an der Entlastung und könnte demnach sein Stimmrecht zu Lasten der Eigentümergemeinschaft ausüben. Nach überwiegender Ansicht ist sein Stimmrecht folglich gem. § 25 Abs. 4 Variante 1 Wohnungseigentumsgesetz ausgeschlossen.
Darüber hinaus erkennt die Rechtsprechung unter engen Voraussetzungen einen Ausschluss des Stimmrechts für einen konkreten Beschlussgegenstand bei rechtsmissbräuchlichem Verhalten an.
Für einen solchen Rechtsmissbrauch reicht es insbesondere noch nicht aus, dass der Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmgewichts Beschlussfassungen blockiert, obwohl es ordnungsgemäßer Verwaltung entsprechen würde, einen solchen Beschluss zu fassen. Sofern für die Stimmabgabe nachvollziehbare und verständliche Gründe vorliegen, ist nicht von einem rechtsmissbräuchlichen Verhalten auszugehen.